Landkreis Schweinfurt. Am Dienstag, 30. Juni 2020, hat der Netzbetreiber TenneT in Schweinfurt Vertretern der Kommunalpolitik, Verbänden aber auch Bürgerinitiativen Planungsüberlegungen zur Stromtrasse P43 vorgestellt. Bei der Trasse handelt es sich um eine angedachte 380kV-Wechselspannungsleitung von Mecklar in Nordhessen über Dipperz nach Bergrheinfeld.
Mit den dort vorgestellten Inhalten ist Landrat Florian Töpper alles andere als zufrieden. Denn der Landkreis Schweinfurt musste zur Kenntnis nehmen, dass die Überlegungen zu einer weiteren Stromleitung im Raum Schweinfurt sich nun konkretisieren. Ernüchtert musste insbesondere festgestellt werden, dass die Neubaumaßnahme mit dem jetzigen Arbeitstitel „Fulda-Main-Leitung“ als Freileitung mit gegebenenfalls kleinräumigen erdverkabelten Abschnitten von 3 bis maximal 6 Kilometern Länge geplant ist. An den Übergangspunkten aus und in die Erde werden sogenannte Umsetzer mit einem Platzbedarf von jeweils 65 x 70 Metern und einer Höhe von bis zu 37 Metern benötigt.
Besonders ärgert sich Landrat Florian Töpper über die Aussage hinsichtlich der „Bindungswirkung“ politischer Vereinbarungen, die bereits zum zweiten Mal nicht eingehalten wurden. Der Landkreis Schweinfurt wehrt sich gegen die seiner Ansicht nach überzogene Netzausbaumaßnahme bereits seit den erstmaligen Überlegungen im Jahr 2012. Im Juli 2015 hatte bereits die damalige Regierungskoalition im Bund unter Mitwirkung des Freistaates Bayern vereinbart, dass zur Entlastung des Netzknotens Grafenrheinfeld/Bergrheinfeld Alternativen unter anderem zu den Leitungen P43 und P44 zu finden seien. Zum damaligen Zeitpunkt wurde diese Entscheidung in der Region erleichtert aufgenommen und hat unter anderem dazu beigetragen, dass für den Suedlink als Erdkabelprojekt die Akzeptanz in der Region gestiegen war.
Allerdings musste der Landkreis Schweinfurt bereits im Frühjahr 2017 feststellen, dass die Überlegungen bezüglich der Trassen P43 und P44 durch die Netzbetreiber im neuen Netzentwicklungsplan nun wiederaufgenommen wurden und politische Vereinbarungen als obsolet angesehen wurden. Am 4. Juni 2019 erfolgte im Rahmen einer neuerlichen Einigung der zuständigen Wirtschafts- und Energieminister des Bundes sowie Bayern, Hessen und Thüringen die Vereinbarung zum Wegfall der Wechselstromleitung P44 (von Altenfeld / Thüringen nach Grafenrheinfeld).
Teil der Vereinbarung war jedoch auch, dass die Wechselstromleitung P43 errichtet wird und dies sogar in der ursprünglichen Planung, wie es bereits seit dem Jahr 2012 im ersten Netzentwicklungsplan enthalten war. Der Region sollte dahingehend entgegengekommen werden, dass gemäß den Verlautbarungen auch diese Leitung als Erdkabel geführt wird.
Landrat Töpper ist über die neuerliche Entwicklung verärgert und fordert die Einhaltung der politischen Zusagen. „Nach gerade einmal einem Jahr müssen wir feststellen, dass Vereinbarungen einfach nicht umgesetzt werden“, so der Landrat. Die geplanten Stromtrassen P43 und P44 lehnt der Landkreis Schweinfurt weiterhin explizit ab.
Enttäuscht zeigt sich der Landrat, dass die Einwendungen des Landkreises Schweinfurt, der potentiell betroffenen Kommunen aber auch der politischen Vertreter in Bund und Land nicht beachtet werden. Auch die Bundestagsabgeordnete Dr. Anja Weisgerber, die ebenso wie der Landrat in den letzten Jahren vehement für die Belange der Region eingetreten ist und maßgeblich am politischen Kompromiss beteiligt war, wird durch die Planungen düpiert. Aus den damals geäußerten Hoffnungen, dass durch die Entscheidungen der Bundespolitik der Raum Schweinfurt weitestgehend vom Leitungsbau verschont bleiben könnte, ist leider nichts übriggeblieben.
Vereinbarung von 2015 und 2019 immer noch nicht in eine gesetzliche Grundlage umgesetzt
Landrat Florian Töpper: „Mittlerweile haben wir Anfang Juli 2020 und ich muss feststellen, dass die Vereinbarungen von 2015 und 2019 immer noch nicht in eine gesetzliche Grundlage umgesetzt wurden. Ich verhehle nicht, dass ich weder damals noch heute die Unerlässlichkeit dieser Leitung sehe. Der Bedarf ist bis heute nicht ausreichend nachgewiesen, Schreiben und Eingaben des Landkreises werden, wenn überhaupt, ausweichend beantwortet.“
Die Bürger des Landkreises Schweinfurt und hier insbesondere in der Gemeinde Bergrheinfeld sind bereits jetzt durch einige, hier verlaufenden 380 kV-Leitungen, ein Kernkraftwerk, dessen Rückbau bevorsteht, 45 Windkraftanlagen sowie eine Vielzahl von Verkehrsinfrastrukturen über Gebühr belastet.
„Der Landkreis Schweinfurt fordert die Politik in Bund und Land auf, zu ihren Vereinbarungen zu stehen und diese komplett und zügig umzusetzen“, so Töpper.