Schweinfurt Stadt und Landkreis. Der Landkreis und die Stadt Schweinfurt haben sich mit ihrem Wasserstoff-Konzept „HYCircle Schweinfurt“ in gemeinsamer Sache mit den lokalen Energieversorgern ÜZ Mainfranken und Stadtwerke Schweinfurt bei der Initiative „HyLand – Wasserstoffregionen in Deutschland“ in der Förderstufe HYExpert und damit um eine Förderung von 400.000 Euro für eine Machbarkeitsstudie ihres Konzepts beworben. Wenn die Bewerbung Erfolg hat und die Machbarkeitsstudie für das Projekt „HYCircle Schweinfurt“ durchgeführt werden kann, wird die ÜZ Mainfranken als Mitinitiator die Rolle der technischen und fachlichen Koordination für den Bereich systemdienliche Wasserstofferzeugung und Integration in das bestehende Energiesystem einnehmen und das Projekt aktiv begleiten.
Das Konzept entfaltet zusätzliche Dynamik mit der Zusammenführung der Pläne der kreisfreien Stadt Schweinfurt für einen „H2MegaHub“ am Mainhafen Schweinfurt in Kooperation mit den Stadtwerken Schweinfurt, der Siemens AG und weiteren Partnern – das Projekt soll von der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt wissenschaftlich begleitet werden. Mit dem Projekt H2MegaHub soll am Schweinfurter Hafen ein großskaliger Anlagenverbund zur Erzeugung und Speicherung von grünem Wasserstoff aufgebaut und eine dazugehörige Verteilungsinfrastruktur implementiert werden. Die für die Wasserstofferzeugung erforderliche grüne Energie soll überwiegend in der Region, dem Landkreis Schweinfurt, erzeugt werden.
Mit dem Projekt soll eine flächendeckende Versorgung von Wasserstoff-Anwendern im mobilen und industriellen Bereich realisiert werden. Mit dem H2MegaHub Schweinfurt nutzen die Partner die Situation, mitten in Europa gelegene konventionelle Infrastrukturen (Strom, Gas, Binnenschifffahrt, Schiene, BAB) in zukunftsfähige Infrastrukturen zu transferieren. Das Konzept beinhaltet einen hohen Ansatz zur Dekarbonisierung sowohl für den Verkehr (insbesondere Binnenschifffahrt von Donau bis zum Rhein und ÖPNV) als auch für eine auf konventionelle Technologien ausgerichtete energieintensive metallverarbeitende Industrie.
Die Bewerbung für der Initiative „HyLand – Wasserstoffregionen in Deutschland“ wurde im Juni eingereicht, am vergangenen Dienstag trafen sich aus diesem Anlass Landrat Florian Töpper, Oberbürgermeister Sebastian Remelé, Jochen Starke (Geschäftsführer ÜZ Mainfranken), Robert Ruppenstein (Vertriebsleiter ÜZ Mainfranken), Thomas Kästner (Geschäftsführer Stadtwerke Schweinfurt) und Projektleiter Michael Graber (Landratsamt Schweinfurt, Leiter des Arbeitsbereichs „Mobilität und Energie“). Sie tauschten sich in Lülsfeld (Gastgeber war die ÜZ Mainfranken) über das Projekt aus, welches für die Region bei einer erfolgreichen Bewerbung riesige Chancen bietet. Die Beteiligten waren sich einig, dass ein gemeinsames Vorgehen und das Bündeln von Kräften und Fachwissen der richtige Weg ist, um die Region Schweinfurt auf dem zukunftsträchtigen Feld der Gewinnung von grünem - also CO2-neutralem – Wasserstoff in Position zu bringen.
„Wir erhöhen erheblich unsere Chancen, wenn sich unsere Gebietskörperschaften zusammenschließen“, erklärten Landrat Töpper und Oberbürgermeister Remelé gemeinsam.
Die ÜZ Mainfranken und die Stadtwerke Schweinfurt wollen als regionale Stromversorger die Möglichkeit, Wasserstoff als emissionsfreien Energieträger für die hiesige Wirtschaft und Bevölkerung zugänglich zu machen, frühzeitig nutzen. Das nötige Wissen und die Erfahrungswerte sowie eine entsprechende Infrastruktur sollen hier aufgebaut werden, wenngleich die ersten Schritte in diesem Projekt zunächst viel Arbeit und keinen monetären Ertrag bedeuten: Die technische Machbarkeit ist gegeben, noch nicht dagegen aber die Wirtschaftlichkeit, die sich aus der Wasserstoffproduktion mittels Elektrolyse erst mittel- und langfristig ergeben wird. „Man braucht einen langen Atem“, erklärten Jochen Starke und Thomas Kästner. Beide sind sich aber einig: „Es ist der richtige Weg und wir wollen hier als Region zusammenarbeiten und Kräfte bündeln.“ Laut ÜZ-Vertriebsleiter Robert Ruppenstein wird eine Entscheidung über den Erfolg der Bewerbung der Region Schweinfurt bei der Initiative „HyLand“ im September dieses Jahres fallen. Sollte die Region den Zuschlag erhalten, würde umgehend die Konzeptentwicklung vorangetrieben, schließlich ginge man dann 2023 in die Umsetzungsphase über, die bis 2030 dauern würde.
Im Netzgebiet der ÜZ Mainfranken zwischen Main und Steigerwald wird bereits seit vielen Jahren mehr Strom aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt, als in der Region verbraucht wird. Der erste Meilenstein der regionalen Energiewende ist also geschafft. Der nächste folgerichtige Schritt muss es sein, nachhaltige Speichermöglichkeiten für diesen überschüssigen Strom zu etablieren. Der viele Strom aus regenerativen Energien bildet den Grundstein dafür, mit der Erzeugung von grünem Wasserstoff als Energiespeicher für die Region nachhaltige Wertschöpfung zu schaffen.
Der große Vorteil von Wasserstoff als Energieträger ist, dass während der Elektrolyse (der Spaltung von Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff) lediglich Wasser, Sauerstoff und Wärme als Nebenprodukte entstehen, die intelligent weiterverwertet werden können und der Umwelt nicht schaden. Wird der Wasserstoff also mit Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt, gilt er und seine Weiterverwendung als vollständig klimaneutral.
HYCircle Schweinfurt: Vorreiter für klimaneutrale Logistik
Die Region Schweinfurt als großer Logistikstandort sieht in diesem Vorhaben die große Chance, Vorreiter in Sachen klimaneutraler Logistik, Transportwesen und Mobilität zu werden. Viele Logistik- und Servicedienstleister, wie die Ludwig Eichelmann GmbH, die Schäflein AG, die Gress Speditions GmbH, die Pabst Transport GmbH und Co. KG, die Hans Wormser AG, die Erik Walther Tankstellen GmbH und Co. KG, sowie die Eni Deutschland GmbH und die Auriga Handels- und Gewerbebauträger GmbH meldeten großes Interesse am Thema Wasserstoff für eine nachhaltige und zukunftssichere Kraftstoffversorgung und bieten ihre Unterstützung an. Aus Industrie und Gewerbe beteiligen sich die Madinger Industry Services ebenso wie die Trips Group und die Fa. Senertec. Seitens der Kommunen hat sich der Markt Werneck in die stattliche Zahl der Unterstützer eingereiht. Weitere aktive Unterstützer des Projekts sind die Biogasanlagenbetreiber Bioenergie Oberspiesheim GmbH und Co. KG, und der Sonnenhof Bioenergie Hümmer. Die Forschungsinstitute der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, welche im September mit dem neuen Studiengang Wasserstofftechnik starten wird sowie die IfE Institut für Energietechnik mit Professor Dr. Raphael Lechner von der OTH Amberg sind wissenschaftliche Partner dieser Bewerbung für die Region Schweinfurt.
Oberstes Ziel des gemeinsamen Projekts, welches aus dem Energieeffizienznetzwerk des Landkreises Schweinfurt hervorging, ist es, nach und nach alle Verbrenner-Fahrzeuge der Logistikflotten gegen Wasserstofffahrzeuge auszutauschen und die dafür passende öffentliche Infrastruktur, wie Tankstellen und Servicenetzwerke, zu schaffen und leicht zugänglich zu machen. Weiterhin sieht der Landkreis Schweinfurt großes Potenzial darin, auch den öffentlichen Personennahverkehr nachhaltig und komplett klimaneutral zu gestalten.
„Der öffentliche Personennahverkehr wird auf längere Sicht gesehen auf ein ,No-Emission‘-Konzept hinauslaufen, insbesondere für den ländlichen Raum wird hier die Versorgung von Linienbussen mit Wasserstoff als Treibstoff eine wichtige Rolle spielen“, sagt Projektleiter Michael Graber.
Für spätere Planungen ist außerdem die Verwendung von Wasserstoff in der Industrie und als langfristiger Ersatz von Erdgas in der Wärmeversorgung vorgesehen. Die Attraktivität der Region als verkehrsgünstiger Standort für den Handel und die Logistikindustrie soll dadurch erhalten und ausgebaut werden. Die Etablierung von Wasserstoff in der Region ist außerdem ein wichtiger Schritt, die Großindustrie Schweinfurts auf dem Weg zur CO2-Neutralität zu unterstützen und Arbeitsplätze für Fachkräfte zu schaffen und dauerhaft zu sichern.
Konkret bedeutet das, dass in Ergänzung zum Netzausbau und um diesen nach Möglichkeit zu begrenzen, an strategischen Netzknotenpunkten system- und netzdienlich betriebene Elektrolyseure installiert werden, mittels derer Überschüsse aus EE-Strom in Wasserstoff umgewandelt werden. Die Elektrolyseure sollen möglichst an Standorten installiert werden, an denen eine Wärmeintegration möglich ist (Abwärmenutzung des Elektrolyseurs) und eine Sauerstoffabnahme besteht.