Schweinfurt Stadt und Landkreis. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Millionen von Menschen, die sich gegen das Coronavirus haben impfen lassen, sind um ein Vielfaches besser vor einer Infektion und insbesondere vor einem schweren Verlauf der Erkrankung COVID-19 geschützt. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) ist die Wahrscheinlichkeit, schwer an COVID-19 zu erkranken bei vollständig gegen COVID-19 geimpften Personen um etwa 90 Prozent geringer als bei den nicht geimpften Personen.
Das RKI teilt hierzu mit: „Nach derzeitigem Kenntnisstand bieten die COVID-19-mRNA-Impfstoffe Comirnaty (BioNTech/Pfizer) und Spikevax (Moderna) sowie der Vektor-Impfstoff Vaxzevria (AstraZeneca) eine hohe Wirksamkeit von etwa 90 Prozent gegen eine schwere COVID-19-Erkrankung (z. B. Behandlung im Krankenhaus) und eine Wirksamkeit von etwa 75 Prozent gegen eine symptomatische SARS-CoV-2-Infektion mit [der Virusvariante] Delta.“
Eine Nachfrage bei den Krankenhäusern Leopoldina, St. Josef (Stadtgebiet Schweinfurt) und Geomed (Gerolzhofen) zeigt, dass sich diese Zahlen auch in der Realität widerspiegeln: Nahezu alle Patienten, die wegen Corona in den zurückliegenden Monaten in einem dieser Krankenhäuser intensivmedizinisch behandelt worden sind, waren ungeimpft.
Die Situation an der Geomed-Kreisklinik in Gerolzhofen
Dr. Alexander Kraus, der an der Geomed-Kreisklinik COVID-Patienten auf der Isolations-Station betreut, ist sich sicher, dass die Corona-Schutzimpfung eine sehr große Zahl an Menschen davor bewahrt, stationär und hier womöglich sogar intensivmedizinisch betreut werden zu müssen. Das zeigt auch die tatsächliche Entwicklung an der Geomed-Kreisklinik: „Es sind so gut wie ausschließlich ungeimpfte Patientinnen und Patienten, die bei uns auf der Corona-Intensivstation liegen“, sagt der erfahrene Internist. Die wenigen geimpften Patientinnen und Patienten, die stationär wegen Corona aufgenommen werden, seien in der Regel hochbetagte Personen mit Vorerkrankungen, deren Zweitimpfung oft bereits länger als sechs Monate zurückliegt. Dr. Kraus rät hier dringend zu einer Auffrischimpfung gemäß der Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO), die eine Drittimpfung mit einem mRNA-Impfstoff unter anderem für alle Personen im Alter von über 70 Jahren vorsieht, da bei älteren Menschen die Immunantwort nach der Impfung insgesamt geringer ausfällt.
Bei jüngeren Menschen genügt gemäß der aktuellen Empfehlung der STIKO der vollständige Impfschutz, der nach der Erst- und Zweitimpfung erreicht wird. Derzeit wird eine Drittimpfung für alle Impfberechtigten zwar politisch diskutiert, eine Entscheidung der STIKO bezüglich einer Empfehlung hierzu steht im Moment aber noch aus (Stand 4. November 2021). Für Personen, die mit dem nur einmalig verabreichten Vektorimpfstoff von Johnson&Johnson geimpft sind, empfiehlt die STIKO aufgrund des ungenügenden Impfschutzes gegen die Delta-Variante eine zusätzliche mRNA-Impfstoffdosis ab vier Wochen nach der Impfung mit Johnson&Johnson.
Wenn alle impffähigen Menschen geimpft wären und die Auffrischimpfungen für ältere oder besonders gefährdete Personen zügig und gründlich erfolgen, „wäre ich in der aktuellen infektiologischen Situation, was Corona betrifft, so gut wie arbeitslos“, erklärt Dr. Kraus. Aber die Lage stellt sich anders dar, denn in der Geomed-Kreisklinik mussten zuletzt regelmäßig fast ausnahmslos ungeimpfte Personen wegen einer Corona-Infektion behandelt werden. Laut dem 50-jährigen Chefarzt sind es häufig Menschen jungen oder mittleren Alters, die keine Vorerkrankungen haben – und leider auch keinen Impfschutz. „Wir hatten einen Mann Mitte 40 hier, der wegen seiner COVID-19-Erkrankung beatmet werden musste. Die Krankheit hat er mittlerweile überstanden, er gilt als genesen und konnte entlassen werden. Er musste aber im Nachhinein weiterhin ambulant mit Sauerstoff versorgt werden, da er bei geringster körperlicher Belastung Atemnot verspürte“, schildert Kraus.
Wer sich also impfen lassen kann, sollte dies dringend tun, rät der Chefarzt. Denn das würde die Belastung der Kliniken um ein erhebliches Maß senken, schließlich leiden darunter auch Patientinnen und Patienten, die nicht wegen COVID-19 im Krankenhaus behandelt werden müssen: Viele Kräfte im Bereich der Ärzteschaft und des Pflegepersonals sind pandemiebedingt gebunden, so dass in anderen Bereichen weniger Kapazitäten zur Verfügung stehen.
Im Zeitraum August bis Ende Oktober wurden in der Geomed-Kreisklinik 8 an COVID-19 erkrankte Patientinnen und Patienten stationär behandelt. 5 davon waren nicht geimpft, einmal lag eine unvollständige Impfung vor.
Die Situation im Krankenhaus St. Josef
Am 8. August 2021 konnte das St-Josef-Krankenhaus vermelden, dass die dortige Intensivstation nach 272 Tagen endlich ohne Corona-Patienten ist. Doch die Freude und die Zeit zum Aufatmen währten nur kurz, denn bereits am 31. August wurde dort der nächste Corona-Patient auf die Intensivstation verlegt. Seither hatte das St. Josef sogar wieder Tage dabei, an denen gleichzeitig vier bis fünf Patientinnen und Patienten beatmet werden mussten.
Auf der Covid-Station 2.2 versorgte das Krankenhaus im August nach Auskunft von Kathrin Kupka-Hahn, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit am St. Josef, in unregelmäßigen Abständen immer mal wieder einen Patienten oder eine Patientin. Mittlerweile sind die Zahlen wieder auf bis zu zwölf Patientinnen und Patienten angestiegen. Bezeichnend hierbei: Fast alle Patient/innen, die seit dem 31. August auf der Intensivstation im St. Josef beatmet/behandelt wurden, waren laut Kupka-Hahn nicht geimpft.
Der ärztliche Direktor und Chefarzt der Abteilung Anästhesie- und Intensivmedizin am St-Josef-Krankenhaus, Dr. Wolfgang Menger, erklärt: „Ich bin ein großer Befürworter der Impfung und rate dazu, sich impfen zu lassen. Letztlich lässt sich durch eine vergleichsweise harmlose Impfung eine lebensgefährliche Erkrankung in den allermeisten Fällen verhindern.“ Im Erkrankungsfall führe eine Impfung zudem meist zu einem milden Verlauf. „So trägt sie dazu bei, dass die Intensivstationen entlastet werden und andere schwer kranke Patienten auch optimal behandelt werden können“, sagt Dr. Menger. „Wir haben auf unserer Intensivstation neun Monate lang Covid-Patienten betreut und beatmet. Das war eine Extremsituation nicht nur für die Patientinnen und Patienten, sondern auch für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die viele an ihre Belastungsgrenze gebracht hat. Das soll sich nach meinem Dafürhalten nicht wiederholen.“
Die Situation am Leopoldina-Krankenhaus
Inzwischen gehört Corona zum Alltag der Medizinerinnen und Mediziner sowie des Pflegepersonals. Seit Beginn der Pandemie wurden am Leopoldina-Krankenhaus ca. 700 Patientinnen und Patienten versorgt, die mit dem Corona-Virus infiziert waren. Davon wurden ca. 200 intensivmedizinisch betreut. Nach einem ruhigen Sommer und der Möglichkeit, sich mit einer Impfung gegen die schwere Erkrankung zu schützen, war die Hoffnung auf ein Ende der Pandemie greifbar. Leider zeigen sich aber auch am städtischen Krankenhaus die Auswirkungen der immer noch zu geringen Impfbereitschaft in der Bevölkerung.
Mit den aktuell steigenden Inzidenzen rechnet man auch am Leopoldina mit einer steigenden Anzahl von Patientinnen und Patienten, die auf Grund einer Covid-19-Erkrankung behandelt werden müssen. Dies zeigt bereits die Entwicklung in den vergangenen Wochen, wie Prof. Dr. Hauke Rensing, Chefarzt Anästhesie und operative Intensivmedizin im Leopoldina-Krankenhaus, erklärt: „Wir bemerken in den letzten Wochen wieder einen deutlichen Anstieg der Patientinnen und Patienten, die in unserem Haus und auch auf den Intensivstationen aufgrund einer Coronainfektion behandelt werden müssen.“ Auffällig ist inzwischen aber, dass geimpfte Patienten bisher keine schweren Krankheitsverläufe aufweisen. Alle Patientinnen und Patienten, die eine intensivmedizinische Behandlung benötigen, weisen dagegen keinen Impfschutz auf: „Die Tatsache, dass mehr als 80 Prozent der Coronapatienten, die in unserem Haus versorgt werden und nahezu 100 Prozent der auf den Intensivstationen versorgten Patienten, nicht geimpft sind, sorgt dabei für eine gewisse Frustration“, sagt er.
Deutlich wird im Moment auch, dass das Alter der schwer erkrankten Patientinnen und Patienten wesentlich niedriger ist als noch zu Beginn der Pandemie. Der Altersdurchschnitt der behandelten Patientinnen und Patienten liegt im Leopoldina aktuell bei ungefähr 60 Jahren. Im Gegensatz zum Beginn der Pandemie sind jetzt in der Regel nicht die Hochbetagten die größte Risikogruppe, sondern Menschen mittleren Alters. Sie weisen auch nicht unbedingt eine Vorerkrankung auf, haben aber bisher auf den Schutz einer Corona-Impfung verzichtet.
Wer sich also impfen lassen kann, sollte dies dringend tun, rät der Chefarzt. „Es ist genügend Impfstoff vorhanden, wenn die Bürgerinnen und Bürger das Angebot nutzen, würde die coronabedingte Belastung nicht nur bei uns im Leopoldina, sondern in allen Krankenhäusern deutlich fallen“, appelliert der Intensivmediziner.