Landkreis Schweinfurt. Eine seltene alte Kirschsorte, die in Oberlauringen wiederentdeckt worden ist, wurde nun in einer Obstbaumschule nachgezüchtet und von Kreisfachberaterin Brigitte Goss in Umlauf gebracht: Die Süßkirsche „Große Braune“ soll durch mehrere Pflanzaktionen im gesamten Landkreis Schweinfurt wieder Fuß fassen.
Den Anfang machte Landrat Florian Töpper zusammen mit Landkreisgärtner Peter Zeißner, Alfons Weiglein (Seniorchef der Baumschule Weiglein) und Kreisfachberaterin Brigitte Goss mit einer Baumpflanzung auf einer Ausgleichsfläche bei Brebersdorf (Gemeinde Wasserlosen): Dort wurde im Jubiläumsjahr „50 Jahre Gebietsreform Landkreis Schweinfurt“ die erste von 50 Jubiläumskirschen eingesetzt. Weitere 49 Jungbäume haben Gemeinden und Vereine über Brigitte Goss als Jubiläumsgeschenk erhalten, so dass die Kirsche im ganzen Landkreis nun verbreitet wird.
„Wir wollen in unserem Jubiläumsjahr diese schöne, alte Sorte im Landkreis Schweinfurt wieder etablieren und bei der Bevölkerung bekannt machen“, sagte Landrat Florian Töpper bei der Pflanzaktion. „Mein Dank geht an Kreisfachberaterin Brigitte Goss, die mit dieser besonderen Kirsche in Oberlauringen eine tollen Fund gemacht hat. Die Kirschsorte möge bald wieder – wortwörtlich – in aller Munde sein.“
Zum Hintergrund der Aktion: In der Bestandsaufnahme der Gartenkulturellen Schätze im LEADER-Projekt „Gartenkultur im Landkreis Schweinfurt“ wurde das Wirken des „Kirschentruchsess“ Christian Truchsess von Wetzhausen unter die Lupe genommen. Er lebte von 1755 bis 1826 in der Bettenburg bei Bundorf im Landkreis Hassberge. Dort empfang er Gelehrte und Dichter der Romantik wie Pellegrin, Jean Paul und Friedrich Rückert und besaß die wohl größte Kirschensammlung seiner Zeit mit über 400 Sorten. Christian von Truchsess liebte Kirschen und trug die Sammlung aus ganz Europa zusammen. Er war der erste, der Kirschen systematisch erfasste und in Deutschland verbreitete. In einem Buch beschrieb er 260 Sorten. Heute sind viele Sorten davon verschollen.
Obwohl Kirschbäume keine 200 Jahre alt werden, ist dennoch die Wahrscheinlichkeit hoch, alte oder verschollene Sorten in der Landschaft zu finden. Kreisfachberaterin Brigitte Goss schickte Proben verschiedener Kirschen an die Kirschenexpertin Frau Dr. Braun-Lüllemann. Unter anderem war die Herzkirsche „Große Braune“ aus Oberlauringen dabei. Zwar kann sie keiner der beschriebenen Sorten der Truchsesskirschen zugeordnet werden. Dennoch ist die „Große Braune“ heute eher selten zu finden. Grund dafür ist, wie bei anderen historischen Kirschensorten, die geringe Wertschätzung und Beachtung in der Vergangenheit sowie die Auswahl der Kirschsorten nach Kriterien des wirtschaftlichen und erwerbsmäßigen Anbaus. Allerdings birgt Vielfalt ein hohes Potenzial gerade in Zeiten des Klimawandels. Also ließ die Kreisfachberaterin die schmackhafte Süßkirschensorte aus Oberlauringen von der Baumschule Weiglein vermehren.
Die Vermehrung ist bei Kirschen nicht ganz einfach und erfordert viel Sachkenntnis. Damit die Kirschsorten identisch sind, werden einjährige Triebe im Juni oder Dezember geschnitten und auf Kirschenunterlagen gepfropft.
Die Große Braune ist eine Knorpelkirsche, die sehr süß und aromatisch schmeckt. Sie ist zum ersten Mal in der Sortensammlung Blankenburg/Harz 1960 aufgetaucht. Die Reiser (abgeschnittene, einjährige Triebe) zum Vermehren der Kirsche kamen aus Zirnau, Schlesien, und sie ist mit keiner der bekannten Sorten identisch. Im Harz waren die Bäume oft nicht wüchsig und brachten nicht immer gute Früchte. Doch in Oberlauringen ist der Baum in einem guten Zustand und trägt viele Früchte. Die Sorte kommt in ganz Deutschland auf sehr alten Bäumen vor und ist offensichtlich schon vor dem 2. Weltkrieg verbreitet gewesen.
50 Hochstamm-Kirschbäume der Sorte „Große Braune“ wurden an interessierte Gemeinden und Vereine verschenkt. Das Interesse an dem Baum war groß und die Aktion wurde gerne angenommen. Zu dem Baum hat der Landkreis ein Sortenschild anfertigen lassen.
Im Landkreis Hassberge wurden dieses Jahr weitere alte und verschollene Kirschensorten entdeckt. Dies muss aber noch ausgewertet werden. Die nächsten Jahre werden also vermutlich weitere seltene Kirschensorten vermehrt werden können.
„Alte Obstsorten sind ein lebendiges Kulturgut, dass erhalten werden sollte“, erklärt Brigitte Goss. „Kirschen wachsen auf durchlässigen und auch nährstoffarmen Böden. Viele alte Sorten besitzen oft eine starke Wuchskraft, die mit den gängigen Sorten kaum vergleichbar ist.“ Wie die „Große Braune“ sich auf den unterschiedlichen Standorten entwickelt und ob sie den Klimaveränderungen trotzen kann, wird sich laut Goss in Zukunft zeigen. „Alte Sorten wuchsen zwar in kühlerem und regenreicherem Klima, dennoch kann in ihnen ein Potential schlummern, das in der Zukunft sehr wertvoll sein kann. Dies ist ein erster Schritt, die Diversität unserer Nahrungspflanzen zu erhalten und eine Chance, Pflanzen zu finden, die sich der schnellen Klimaveränderung anpassen können“, erklärt die Kreisfachberaterin.